Ketogene Ernährung

Eine gesunde Ernährung ist inzwischen für viele Erkrankungen als wichtiger Bestandteil der Vorbeugung und Therapie anerkannt.

Grundlagenwissenschaftlich haben sich in den letzten Jahren auch für die Zystennieren-Erkrankung starke Hinweise ergeben, dass bestimmte Ernährungsformen positive Auswirkungen haben können. Bislang fehlen hierzu jedoch klinische Daten. Mithilfe dieser Befragung wollen wir aktuell Zystennieren-Patient*innen identifizieren, die einer spezifischen Diät folgen (oder dieser in den letzten Jahren gefolgt sind).

Was ist ketogene Ernährung?

Ketogenen Ernährung ist eine sehr kohlenhydratarme, dafür aber fettreiche Kost, die eine Umstellung des Energiestoffwechsels im Körper zur Folge hat.

In der klassischen ketogenen Diät sind maximal vier Prozent Kohlenhydrate oder etwa 20 Gramm pro Tag erlaubt. Zum Vergleich: Normalerweise wird für Erwachsene empfohlen, über Kohlenhydrate circa 50 Prozent des täglichen Gesamtenergiebedarfs zu decken. Des Weiteren erlaubt die ketogene Diät etwa sechs bis acht Prozent Eiweiß und knapp 90 Prozent Fett.

Nudeln, Brot, Reis, Kartoffeln und Zucker sind tabu. Dafür kommen fetter Fisch, Fleisch, Wurst, Eier und kohlenhydratarmes Gemüse wie Zucchini, Gurke und Brokkoli auf den Teller. Wegen des hohen Fruchtzuckergehalts steht Obst nur sehr selten und in geringen Mengen auf dem Speiseplan.

Wirkung bei ADPKD (Zystennieren)

Es wurde gezeigt, dass eine ketogene Diät die polyzystische Nierenerkrankung (PKD) in Tiermodellen verhindert und umkehrt.

In der Zeitschrift Cell Metabolism wurde eine Studie veröffentlicht, in dem die Auswirkungen der Ketose auf die polyzystische Nierenerkrankung (PKD) beschrieben werden. In dem Artikel mit dem Titel „Ketose verbessert das Wachstum von Nierenzysten bei polyzystischen Nierenerkrankungen“ untersuchten die Forscher die Veränderungen des Nierenzystenwachstums bei Ratten nach einer ketogenen Diät oder dem Verzehr von exogenen Ketonen (B-Hydroxybutyrat). Zur Veröffentlichung

Die Forscher beschlossen, die mögliche Anwendung einer ketogenen Diät für PKD zu untersuchen, nachdem frühere Untersuchungen gezeigt hatten, dass eine verringerte Kalorienaufnahme das Fortschreiten des Zystenwachstums in Tiermodellen verlangsamte.

Darüber hinaus wurde gezeigt, dass intermittierendes Fasten (zeitlich begrenztes Essen) ohne Änderung der gesamten Kalorienaufnahme die Proliferation und Fibrose der von der Krankheit betroffenen Nieren hemmt.

Studien zu ketogener Ernährung/ Veröffentlichungen

PKD Foundation fördert : „KETO-ADPKD — A pilot trial of ketogenic dietary interventions in ADPKD“ an Prof. Roman-Ulrich Müller, M.D. und Prof. Thomas Weimbs Ph.D.

Herzlichen Glückwunsch

Durchgeführt wird die Studie an der Uni Köln, im Rahmen unserer Abfrage unterstützen wir bei der Suche nach Teilnehmern.

Video zur Umsetzung von ketogener Ernährung (englich)

Erste Einblicke über Ketogene Diäten in Autosomal Dominanter Polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD)

Eine Zusammenfassung der Fallstudie (Text Uni Köln/Labor Weimbs)

„Ketogenic Dietary Interventions in Autosomal-Dominant Polycystic Kidney disease (ADPKD)- A Retrospective Case Series Study: First insights into Feasibility, Safety and Effects” erschienen in Clinical Kidney Journal (13 September 2021): https://doi.org/10.1093/ckj/sfab162

Sebastian Strubl1,2, Simon Oehm2, Jacob A. Torres1, Franziska Grundmann2, Jazmine Haratani1, Morgan Decker1, Sabrina Vuong1, Amrit Kaur Bhandal1, Nils Methot1, Rhianna Haynie-Cion1, Franziska Meyer3, Florian Siedek3, Uwe Korst4, Roman-Ulrich Müller2,5, Thomas Weimbs1*

1 Department of Molecular, Cellular, and Developmental Biology, and Neuroscience Research Institute, University of California Santa Barbara, Santa Barbara, CA 93106-9625, USA

2 Department II of Internal Medicine and Center for Molecular Medicine, University of Cologne, Faculty of Medicine and University Hospital Cologne, Cologne, Germany.

3 Institute of Diagnostic and Interventional Radiology, Faculty of Medicine and University Hospital Cologne, University of Cologne, Cologne, Germany

4 PKD Familiäre Zystennieren e.V., Karl-Kreuzer-Weg 12, 64625 Bensheim

5 Cologne Excellence Cluster on Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases.

Das Labor von Prof. Weimbs in Santa Barbara, Kalifornien, veröffentlichte kürzlich, dass eine ketogene Diät das Zystenwachstum und die damit einhergehende chronische Nierenerkrankung in ADPKD-Tiermodellen dramatisch verringert und sogar rückgängig zu machen scheint (1).

Ketogene Ernährungsformen, wie z. B Intervallfasten, Kalorienrestriktion oder eine klassische ketogene Diät führen zu einer Anpassung des Energiestoffwechsels, den man als Ketose bezeichnet. Eine stark verringerte Zunahme von Kohlehydraten zwingt den Körper die alternativen Energiequellen Fettsäuren und Ketonkörper (Acetoacetat und Beta-Hydroxybutyrat) zu nutzen. Klassische ketogene Diäten zeichnen sich deswegen durch einen hohen Fett-, geringen Kohlehydrat und einen moderaten Proteinanteil aus. Ketogene Diäten sind bereits eine anerkannte Therapieoptionen für kindliche Epilepsie werden aktuell als Therapie für viele weitere Erkrankungen erforscht. Nachdem ketogene Diäten bereits häufig in der allgemeinen Bevölkerung z.B. mit dem Ziel des Gewichtsverlustes eingesetzt werden, vermutete das Labor von Prof. Weimbs, dass eventuell auch ADPKD Patienten eine solche Ernährung bereits ausprobiert haben könnten. In diesem Zuge ist eine retrospektive Fallstudie entstanden, um erste Einblicke über Praktikabilität, Sicherheitsprofil, und mögliche positive und negative Effekte von ketogener Ernährung bei ADPKD aus dem Alltag zu sammeln. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Befragungen (Fallstudie) zusammengefasst.

Aus insgesamt 131 rekrutierten ADPKD Patienten waren 74 Teilnehmer*innen in der Vergangenheit einer ketogenen Diät gefolgt, 52 Teilnehmer*innen betrieben Intervallfasten und 5 Teilnehmer*innen Kalorienrestriktion für durchschnittlich 6 Monate. Überraschenderweise berichteten über 80% der Teilnehmer*innen von einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens nach Start der Ernährungsumstellung. Von 111 Teilnehmer*innen mit wiederkehrenden ADPKD-assoziierten Symptomen berichteten 67% eine Verbesserung dieser Symptome nach Diät-Start. Teilnehmer*innen unter ketogener Diät beschrieben hierbei häufiger Verbesserungen als Teilnehmer, die Intervallfasten ausübten.

Weiterhin beschrieben 90% aller Teilnehmer*innen deutliche Gewichtsverluste von durchschnittlich 9,1 kg mit entsprechenden Verbesserungen des body mass index (BMI) um ca. 3,1 Punkte. Für zwei Drittel der Teilnehmer*innen endeten die Gewichtsverluste nach wenigen Monaten und keiner der Teilnehmer*innen erreichte BMI-Level im Untergewicht.

Zusätzlich berichtet die Studie von deutlichen Verbesserungen der Blutdruckwerte von Patienten mit arteriellem Bluthochdruck. Von 74% der Teilnehmer*innen mit Bluthochdruck beschrieben 64% eine Verbesserung von durchschnittlich 132/85 auf 118/76 mmHg. Einschränkend ist hier sicher zu bemerken, dass der Blutdruck durch die Patient*innen selbst und unter nicht-kontrollierten Bedingungen gemessen wurde.

Nicht zuletzt konnte diese Fallstudie Nierenfunktionswerte (eGFR) von 70 Teilnehmern von vor und nach ihrem Diätstart sammeln. Hierbei berichteten 64% eine Verbesserung, 11% keine Veränderung und 24% eine Verschlechterung. Insgesamt zeigte sich eine durchschnittliche Verbesserung der eGFR-Werte um ca. 3,6 ml/min/1,73m2. Teilnehmer, die eine sichere Ketose mittels Keton-Bluttest nachweisen konnten zeigten in einer separaten Analyse sogar eGFR Verbesserungen um 7,3 ml/min/1,73m2, welches positiv mit dem entsprechenden Serum BHB Level korrelierte. Zwar kann man aus den Daten noch keinerlei Rückschluss auf etwaige längerfristige positive Effekte der Ernährung auf den Verlust der Nierenfunktion ziehen. Wichtig ist jedoch, dass dieser Befund hinsichtlich der Sicherheit ketogener Diäten bei ADPKD einen klaren Hinweis liefert, dass diese voraussichtlich die Nierenfunktion nicht negativ beeinflussen.

Neben all diesen bemerkenswert positiven Beobachtungen befragte das Labor von Prof. Weimbs die Teilnehmer auch nach neuaufgetretenen Beschwerden, sowie Sicherheitsbedenken nach dem Diätstart. Hierbei berichteten 66% der Teilnehmer neue Symptome, wie Erschöpfung, Hunger und „Keto-Grippe“, wobei die Mehrheit dieser Symptome im Laufe der Zeit wieder verschwanden. Nichtsdestotrotz erwähnten 22 Teilnehmer Sicherheitsbedenken im Zuge der ketogenen Diäten. Als Grund wurde am häufigsten die Steigerung der Cholesterinwerte nach Diätstart genannt. Die Fallstudie berichtete in diesem Zuge von deutlichen Steigerungen des Gesamtcholesterin um 13 mg/dl und des LDL-Cholesterins um 8,5 mg/dl. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein solcher zwischenzeitlicher Cholesterin-Anstieg unter einer ketogenen Diät durchaus erwartet ist und ein Zeichen einer effektiven Diätausführung darstellt. Vorherige Studien legen nahe, dass ein solcher Anstieg sich im Laufe der Zeit wieder normalisiert. Ob jedoch erhöhte Cholesterinwerte auch im Zuge einer ketogenen Diät das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen negativ beeinflusst, ist nicht ausreichend erforscht und bedarf zukünftig weiterer klinischer Studien. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, dass solche weitreichenden Ernährungsumstellungen nicht ohne qualifizierte Beratung erfolgen sollten.

Insgesamt scheinen die Teilnehmer*innen mit ihrer ketogenen Diäterfahrung durchaus zufrieden gewesen zu sein. Die Mehrheit der Teilnehmer*innen beschrieb ihre ketogene Diät als einfach durchführbar. Über 90% der Teilnehmer*innen berichteten ihre Diät täglich auszuführen oder maximal einige Tage im Monat davon abzuweichen. 40% der Teilnehmer berichteten jedoch auch von Diätpausen wegen praktischer Schwierigkeiten. Dies verdeutlicht, dass nichtsdestotrotz etwaige Schwierigkeiten bei der Einhaltung von ketogenen Diäten trotzdem nicht unterschätzt werden sollte.

Insgesamt zeigt diese Fallstudie, dass ketogene Diäten von ADPKD Patienten im Alltag subjektiv als überwiegend positiv, sicher und praktikabel wahrgenommen wurden. Es ist jedoch wichtig hervorzuheben, dass die Aussagekraft dieser Ergebnisse stark limitiert ist, da es sich hierbei nicht um eine klassische kontrollierte klinische Studie sondern um subjektive Erfahrungsberichte handelt. Alle Daten wurden von den Teilnehmer*innen rückblickend entweder selbst erhoben (z.B. Blutdruckwerte) oder aus beim Hausarzt bestimmten Werten (Nierenfunktion) dem Studienteam zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmer*innen haben höchstwahrscheinlich unterschiedlichste ketogene Diätpläne verfolgt. Zusätzlich beruhen alle medizinischen Daten auf Einzelwerten, wodurch die Ergebnisse fehleranfällig werden. Zusammenfassend belegt diese Fallstudie jedoch, dass zukünftige kontrollierte, prospektive klinische Studien wichtig und vielversprechend sind, um den Einfluss von ketogenen Diäten auf allgemeines Wohlbefinden, Gewicht und Blutdruck zu bestätigen und um den spezifischen Einfluss auf Nierenfunktion und Zystenwachstum zu analysieren. Aus diesem Grund haben das Labor von Prof. Weimbs und das Universitätsklinikum Köln (Prof. Müller / Dr. Grundmann) eine gemeinsame Projekt-Pipeline etabliert, um ketogene Diäten in klinische Studien für ADPKD zu transferieren. Erste Ergebnisse von diesen Studien werden Ende 2021 sowie im ersten Halbjahr 2022 erwartet. Weiterhin wird ab Januar 2022 ein 12-wöchiges Online-Programm in den USA angeboten, das ein Training zur Umsetzung einer Pflanzen-fokussierten, nierenfreundlichen ketogenen Diät in Gruppen von je 20-25 Teilnehmern anbietet (Ren-Nu.org).

Literaturverzeichnis

1.   Torres JA, Kruger SL, Broderick C, Amarlkhagva T, Agrawal S, Dodam JR, Mrug M, Lyons LA, Weimbs T: Ketosis Ameliorates Renal Cyst Growth in Polycystic Kidney Disease. Cell Metab 30: 1007-1023.e5, 2019

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift.Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist.“

Paracelsus